32.

Marty beobachtete Lila beim Sprechen. Ihre Hände bewegten sich wie japanische Fächer, die wohlgeformten roten Fingernägel stachen in die Luft. Sie saßen nebeneinander auf der Couch in Martys Wohnzimmer. Lila hatte ihm gerade erzählt, daß sie die Rolle in dem Film Princess of Thyme abgelehnt hatte. Sie begann von Ara Sagarian zu erzählen und wie sehr er sie enttäuscht hatte. Marty bemerkte, daß Lilas Augen vor Aufregung glühten, wie auch ihre Haut. Und das alles wegen einer Filmrolle! Wie leidenschaftlich mußte diese Frau im Bett sein!

Marty hatte Lila praktisch schon aufgegeben. Aus heiterem Himmel hatte sie ihn dann wieder angerufen. Diesmal gedachte Marty keine Panne zu riskieren. Er hatte Sally in die Stadt geschickt. Es gab keine Gladiolen und kein Essen vom Partyservice. Tatsächlich lief auch alles gut. Irgendwann mußte Martys Zeit kommen.

An diesem Abend begehrte er Lila mehr denn je. Er beschloß, es mit Ratschlägen und väterlicher Geduld zu versuchen.

»Ara ist einfach zu alt, Lila. Familientreue ist zwar gut und schön, aber du brauchst jemanden wie Sy Ortis, der dich managt.«

»Meinst du, Marty?« Marty überlief ein erregendes Schaudern. Er mochte es, wenn sie auf seine Meinung hörte.

»Wenn du willst, kann ich ihn anrufen und einen Termin für dich ausmachen.«

»Ein guter Gedanke.« Lila wußte nicht, ob Marty erfahren würde, daß sie Sy bereits eingeschaltet hatte.

Marty zerbrach sich den Kopf, was er sonst noch tun konnte, um ihre Freundschaft zu vertiefen. »Möchtest du wissen, wie ich mir die erste Folge der kommenden Saison vorgestellt habe?« fragte er und hielt ihr damit einen Köder hin.

Lila zog die Beine unter sich. »Aber ja. Was hast du dir denn überlegt?«

»Ich möchte eigentlich die erste Folge mit nur einem Mädchen beginnen. Die beiden anderen können per Rückblende erscheinen. Vielleicht beziehe ich mich auch gar nicht auf sie. Darüber bin ich mir noch nicht klar.«

»Das könnte interessant werden«, meinte sie vorsichtig. »Vielleicht funktioniert es auch. Das kommt darauf an.« »Auf was?« lockte er sie weiter.

»Um ganz offen zu reden, Marty, würde meiner Ansicht nach der Erfolg oder Misserfolg völlig von dem Mädchen abhängen, das in den Mittelpunkt gerückt wird. Sie müßte eine starke Persönlichkeit sein.«

»Ich habe mich praktisch entschlossen.«

»Ja?« Mehr sagte sie nicht.

»Du.«

Lila schrie auf und warf die Arme um seinen Nacken. Sie umarmte ihn. Zum erstenmal rührte ihn etwas, was sie tat. Marty zitterte. Er hoffte nur, daß Lila das nicht bemerkte. »Ich? Ach, Marty, das ist toll. Du bist ein Genie!« Sie lehnte sich wieder zurück. »Erzähl mir mehr. Worum geht es in der Folge? Wie baust du sie auf?«

»Es geht um den Grund, warum du dein Elternhaus verlassen hast und in die Welt hinausgezogen bist.«

»Super. Das gefällt mir.«

»Du verläßt ein behütetes Elternhaus, in dem Wohlstand geherrscht hat. Ein riesiges Haus, Autos, Dienerschaft, der Vater abwesend, die Mutter dominierend. Alles. Wir nehmen die Beatles für die Hintergrundmusik. >She's leaving home alter living alone for so many years<. Es war für dich die Hölle, und nun hast du genug. Typisch für die 60er Jahre, aber auch in den 90ern noch aktuell.«

»Marty, das könnte nicht besser sein.«

»Du läßt also das alles hinter dir und befreist dich von deiner Mutter...«

Lila nickte, strahlend vor Freude.

Für Lila und Sharleen begann eine Atempause, nicht aber für Marty. Marty stand vor der Aufgabe, die Quoten und das Lob, das er eingeheimst hatte, zu übertrumpfen. Obendrein mußte er Jahne Moores Abwesenheit einplanen. Heute sollte die Produktionsbesprechung kurz und knapp werden.

»Macht einfach weiter wie bisher, Leute«, empfahl George Young, der Produzent, wie immer bei diesen Sitzungen. »Ich denke nicht daran, ein gutes Team auszuwechseln. « Das hätte er allerdings auch nicht gekonnt. Sys Vertrag ließ ihm da keinen Spielraum. Nur Marty hatte das Sagen.

Doch da meldete sich der Mann von der Werbung zu Wort. Er hatte schon mehr als einmal schwachsinnige Vorschläge gemacht. Marty seufzte. »Ich bekomme ständig Anrufe, weil Hinz und Kunz als Gast in die Serie möchten, Marty. Sogar Katharine Hepburn ist scharf drauf.«

Marty antwortete leise aber bestimmt. »Als Gast einmal, ja. Als Bestandteil des Ensembles, nein. Von Anfang an habe ich erklärt, nur mit Neulingen in der Show arbeiten zu wollen. Abgesehen von gelegentlichen Gästen haben wir uns daran gehalten, und es hat funktioniert. Für die Hepburn gibt es kein Motiv in der Show. Wir erwecken den Eindruck einer Dokumentarserie. Sie ist Schauspielerin und sonst nichts. Die Antwort ist nein.«

George schüttelte den Kopf. »Das mag stimmen, aber die Eröffnungsfolge sollte schon einschlagen, damit man gespannt ist auf die Fortsetzung. Wir dürfen nicht einmal einen Zehntelpunkt verlieren. Im Gegenteil. Das hat es zwar nie gegeben, doch bei dieser Serie halte ich es für möglich. Und ein Aufhänger, wie etwa ein Superstar, könnte genau das Richtige sein.«

Marty hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, jeden Vorschlag erst zu überlegen, bevor er darüber entschied. Zumindest gab er sich den Anschein. Georges Assistentin, ein junges Mädchen, das sicherlich nicht wegen ihrer profunden Branchenkenntnisse angestellt worden war, vielmehr weil sie jung und hübsch war, fragte: »Wie wäre es denn mit Theresa O'Donnell statt der Hepburn? Sie ist doch beides: ein Superstar und Lilas echte Mutter. Dokumentarisch.«

Zunächst schwiegen alle. Dann lächelte Marty dem jungen Mädchen zu. Er würde viel darum geben, Theresa vor seine Kamera holen zu können. Die Assoziation war auch perfekt-echt, ohne aufdringlich zu sein. Marty versprach, sich den guten Vorschlag zu überlegen und beendete die Sitzung.

Die schoenen Hyaenen
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